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Zu Besuch im Siedlerhaus von Susann Probst und Yannic Schon

Susann und Yannic haben sich mit dem Kauf eines Siedlerhauses in Mecklenburg-Vorpommern den Traum vom eigenen Haus erfüllt. Auf ihrem Blog Krautkopf und ihrem Instagram-Account kann man die beiden seitdem letzten Jahr auf ihrer Reise zum eigenen Traumhaus mitverfolgen. Es fühlt sich ein ein bisschen so an, als wären wir alle zusammen miteingezogen. Wir haben die beiden besucht, viele Fotos gemacht, viel gegessen und viele Fragen gestellt und wir sind uns ziemlich sicher, dass wir im Frühjahr oder im Sommer zur Erntezeit wieder vorbeischauen werden.

Hier in eurem Haus ist einfach alles stimmig vom Wärmegrad der Lampen bis hin zur Leinenbettwäsche. Woher nehmt ihr eure Inspirationen und wie schafft ihr es so eine klare Vision zu haben? 

Ganz ehrlich, wir haben selten von Anfang an eine klare Vorstellung - aber eine Vision. Bei eigentlich allem, was wir machen, lassen wir uns treiben, hören auf unser Gefühl. Bei diesem Haus wäre es auch gar nicht anders möglich gewesen. Wenn man an bzw. mit einem alten Haus arbeitet, können immer wieder unerwartete „Komplikationen“ auftauchen. Aber auf solche lassen wir uns gerne ein und nutzen den Impuls, um in eine neue Richtung zu denken.

Über all dem steht unser Perfektionismus und unsere enorme Liebe zum Detail. Wochenlang haben wir die Weiten des Internets durchforstet um genau diese Dinge zusammenzusuchen. Handgetöpferte Keramik, einen Duschkopf aus Messing, Armaturen, Steckdosen, Schalter, Textilien und die passenden Möbelstücke. Letzteres war am schwierigsten zu finden und so haben wir begonnen, einen Großteil unserer Möbel selbst zu entwerfen. So konnten wir uns Stück für Stück in unserem Haus verwirklichen.

Wir lassen uns gerne von der Natur inspirieren, wählen Strukturen, Materialien und Farben nach ihrem Vorbild aus. Besonders spannend finden wir Oberflächen, die von Wind und Wetter gezeichnet sind. Vergrautes Holz und rostiger Stahl tauchen immer wieder in unseren Möbeln auf. Auch die Kalkfarben, die wir verwendet haben, gehen eine tolle Verbindung mit dem Untergrund ein und bringen die Spuren der Zeit hervor.

Habt ihr euch eigentlich von Anfang im Haus zuhause gefühlt?

Wir haben uns von Beginn an wahnsinnig inspiriert gefühlt! Auch wenn direkt klar war, dass uns die Entscheidung das Haus zu kaufen, nur bereichern kann, kam dieses zuhause Gefühl erst etwas später. Unser Haus war keine Bruchbude, sondern im Prinzip einzugsfertig. Genau das war teilweise die Schwierigkeit. Die Vorbesitzer haben ein wahnsinniges Händchen für alte Häuser und wie man sie aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen lassen kann. Sie hatten dem Haus mit ihren Ideen einen schönen Stil verliehen, der uns gefiel. Davon galt es sich zu lösen, um ganz unvoreingenommen unsere eigenen Visionen umsetzen zu können. Als wir das Haus Stück für Stück leer räumten und anfingen selbst Hand anzulegen, stellte sich schnell das Gefühl ein, dass es nun wirklich unser Haus ist. Trotz diversen Baustellen, über einige Monate hinweg, haben wir uns sehr wohl und zu Hause gefühlt.

Wisst ihr eigentlich etwas über die Geschichte des Hauses? 
Das Haus ist ein 1948 erbautes Siedlerhaus. Ursprünglich bestand es aus drei Teilen: einem Holzstall, der in den 1980er Jahren abgebaut wurde, einem gemauerten Stall und dem eigentlichen Wohnbereich. Diese Art Häuser wurden nach dem 2. Weltkrieg aus allem, was man finden konnte, erbaut. Aus alten, teils zerstörten Stallungen oder Gutshäusern wurden die Balken und Steine verwendet, die Wände unseres Hauses sind aus Stampflehm errichtet. Ein solches Haus und das damals dazugehörige Grundstück, mit Feldern und Wald, diente den Siedlerfamilien durch Selbstversorgung als Existenzsicherung. In den letzten 35 Jahren wurde das Haus ausschließlich als Ferienhaus genutzt. Wir finden den Gedanken schön, dass wir mit unserem Gemüsegarten nun wieder ein kleines Stückchen zum ursprünglichen Nutzen zurückkehren.         


Welcher Raum ist euer ‚Lieblingsraum’, wenn es so etwas überhaupt gibt?

Natürlich sind wir wahnsinnig glücklich über unsere wundervolle, große Küche! Noch nie haben wir so viel Zeit in einer Küche verbracht. Dennoch würden wir sie nicht als Lieblingsraum bezeichnen, denn den gibt es tatsächlich nicht. Wir fühlen uns in allen Zimmern sehr wohl und je nach Jahres- und Tageszeit halten wir uns in verschiedenen Räumen besonders gerne auf. Wir lieben es im Esszimmer zu sitzen, wenn die Sonne den Raum durchflutet oder er am Abend durch ganz viele Kerzen erleuchtet wird. Im Wohnzimmer auf dem Sofa zu lümmeln und Musik zu hören. Oder im Winter auch mal länger im kuschelig, warmen Bett zu bleiben, bevor die Öfen angefeuert werden müssen.


An jeder Ecke, Wand und Oberfläche erkennt man eure Handschrift, was war die größte Herausforderung in den letzten Monaten? Und was steht als nächstes auf eurer Liste?

Im Grunde folgte eine Herausforderung der nächsten. Die Schwierigkeit bestand in erster Linie darin, alles unter einen Hut zu bekommen. Die Renovierungen im Haus, den Aufbau des Nutzgartens inklusive Gewächshaus und natürlich unseren Berufsalltag. Das hat uns immer wieder an unsere Grenzen gebracht.   

Wie es bei einem eigenen Haus vermutlich immer der Fall ist, steht auch jetzt noch mehr denn je auf unserer To Do Liste! Denn so ein Haus ist ja niemals fertig und bietet so viel Spielraum für Spinnereien! Konkret geplant für dieses Jahr haben wir die Umgestaltung und Vergrößerung unseres Gartens. Neben der größeren Fläche für den Nutzgarten träumen wir von eigenen Bienen, einer kleinen Streuobstwiese auf dem leer stehenden Grundstück nebenan, von einem Saunahaus mit Sommerdusche und Komposttoilette und das größte Projekt wäre, das Dach auszubauen.

Über welchen gestalterischen Aspekt habt ihr am meisten diskutiert? Und wer konnte sich durchsetzen?

Tatsächlich gab es nur eine Entscheidung, bei der wir uns mal nicht einig waren: Einen zusätzlichen Küchenschrank um mehr Stauraum für unsere Vorräte zu schaffen. Während Yannic ihn sich im gleichen Stil, wie den Rest der Küche vorgestellt hat, dachte ich eher an ein altes Möbelstück, welches der Küche noch eine weitere Ebene, etwas Abwechslung geben sollte. Passen musste es natürlich trotzdem zu unserer selbst designten Küche. Wo also wieder hernehmen? Wie finden? Und vor allem so, dass es möglichst schnell geht und die Lagerfläche nicht monatelang fehlt. Es war schon klar, dass das unrealistisch war und darum musste ich schweren Herzens klein beigegeben und wir haben den Schrank beim Schreiner in Auftrag gegeben. Mittlerweile habe ich mich mit dem Schrank angefreundet und möchte die Vorteile gerade der Ausziehschubladen nicht mehr missen. 

Auch wenn ihr regelmäßig in eurer Wohnung in Berlin seid, vermisst ihr in der Ferne manchmal mal Berlin und wenn ja was?

Im Sommer haben wir Berlin als Stadt keine Sekunde vermisst. Denn bei dem bombastischen Wetter fast den ganzen Tag draußen im Garten zu sein, war einfach großartig. Jetzt im Winter, wo man sich mehr im Haus aufhält, ist es aber auch toll in der Stadt unterwegs zu sein. Im Café zu sitzen, Ausstellungen anzuschauen usw. Auch wenn wir uns nicht über fehlende soziale Kontakte auf dem Lande beschweren können, denn es steht immer wieder jemand auf einen Tee vor der Tür, vermissen wir natürlich unsere Freunde in Berlin. 

So Butter bei die Fische, würdet ihr euer Haus heute wieder kaufen, wenn ihr gewusst hättet, was auf euch zukommt? Und ja, ich weiß ihr esst keinen Fisch. 

Es gibt keine Zweifel daran, dass wir genau das Richtige getan haben! Nachdem wir all das mitgemacht haben, können wir eigentlich nur über die Sorgen schmunzeln, die wir am Anfang hatten. Denn das, was man durch so ein Projekt lernt, ist unbezahlbar. Dabei geht es nicht nur um alle möglichen handwerklichen Dinge, von denen wir nie gedacht hätten, dass wir sie stemmen können. Oder das Wissen übers Gärtnern, welches mit jedem neuen Samenkorn, das wir in die Erde stecken wächst. Es sind vor allem die Dinge, die man über sich selbst lernt. Die Dinge, die die eigene Sichtweise verändern. Wir sind an unseren Aufgaben gewachsen und allein das war es schon wert dieses Abenteuer einzugehen!

(Werbung, da Verlinkungen) Hier noch eine kleine Linkliste für Interessierte :

Gasfeld: PITT  

Gusseiserne Töpfe: Skeppshult 

Betonarbeitsplatte / Waschbecken: _WertWerke_ 

Kupfertöpfe: Falk 

Holzofen: Esse Ironheart 

Gelenklampen Küche: Vintage / Midgard 

Armaturen Küche: vintage/ Etsy

Fliesen Badezimmer: handgeformt 

Leinenstoffe: Knock Knock Linen 

Kalkfarbe: Bauwerk Colour 

Esstisch / Stühle: J&V 

Kleiderschrank: vintage/ Ebay 

Geschirrschrank: vintage/ Ebay

Bett, Sofa u.a.: Jörg Schlinke

Fotos und Interview: Jules Villbrandt