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Zu Tisch in der Klinke

Werbung | Stell dir vor, du renovierst und planst über ein halbes Jahr ein neues Lokal mit feinsten deutschen Tapas und pünktlich zur Eröffnung wird ein zweiter Lockdown verkündet. Vom Glücksgefühl zur Eröffnung bis zur Ernüchterung mit den News ging bestimmt einiges vor in den Köpfen der drei Geschwister, die hinter dem neuen Lokal am Oranienplatz stehen. Mit ihrem deutschen Tapas-Lokal ‚Klinke‘ schaffen die Drei einen besonderen Ort, der gerade in Zeiten der geschlossenen Lokale  uns schon an die Zeit denken lässt, wenn die Pforten zu diesem wundervollen Ort wieder geöffnet sind.  

Wo einst jahrzehntelang ein türkisches Männercafé residierte, ist in mühevoller Renovierung und Aufarbeitung ein Restaurant entstanden, das nicht nur eine Augenweide für Interiorfans, sondern auch ein Schmaus für den Gaumen für Freundinnen und Freunde der deutschen Küche ist. Wir haben direkt zur Eröffnung des Restaurants Klinke auf Speis und Trank vorbeigeschaut und uns umgesehen. Dazu gibt es auch ein kleines Interview mit den Geschwistern.

Könnt ihr euch kurz genauer vorstellen und kurz erzählen, wer für was verantwortlich ist?

Wir heißen Jette, Lilo und Moritz Klinkenberg. Jette ist unsere Gastronomin und macht die Klinke als einzige von uns hauptberuflich. Sie kümmert sich um den Einkauf, Getränke, Pesonal etc., alles, was eben so anfällt, was nicht wenig ist und vor allem was nie so 100% vorhersehbar ist. Lilo ist hauptberuflich Gestalterin. Sie hat in der Klinke das Interior geplant, vom Boden bis zum Kerzenständer, und kümmert sich fortlaufend um alles was nach außen geht und alles was gestalterisch noch so ansteht. Moritz ist hauptberuflich Event- und Künstlermanager. Er bringt sein Talent vor allem in der Kommunikation ein und hilft wo er helfen kann.

Wer ist bei euch Küchenchef?

Mit Küchenchefs haben wir in unserem anderen Restaurant „Mirika“ in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht. Deshalb hat bei uns jeder gleich viel Verantwortung und das funktioniert super. Bei uns Kochen Kaspar Kruse und Luis Vogt. Beide junge Berliner, die motiviert sind und viel Erfahrung bezüglich deutscher Küche mitbringen. 

Wie schwer ist es eine Karte zusammenzustellen (besonders als 3 Geschwister)?

Das war gar nicht mal so schwierig. Wir Geschwister haben was Essen und auch Drinks angeht einen sehr ähnlichen Geschmack. Die meisten Gerichte, die wir auf der Karte haben kennen wir (etwas vereinfacht und nicht ganz so lecker) aus unserer Kindheit und lieben sie immer noch. 

Wie ist eure eigene Historie, wann habt ihr euch für das Lokal entschieden?

Vor vier Jahren haben wir unser erstes gemeinsames Restaurant „Mirika“ aufgemacht. Auch hier bieten wir deutsche Küche an, allerdings nur zum Mittagstisch und abends vermieten wir den Laden als Eventlocation. Auch im Mirika hatten wir Anfangs versucht Abendkarte zu machen, was aber in der Gegend nicht funktioniert hat. Seitdem haben wir von einem zweiten Laden geträumt, wo wir das Konzept verwirklichen können, dass wir uns fürs Mirika gewünscht hatten. 

Anfang des Jahres wurde uns von einer alten Bekannten, die uns noch aus Kindertagen kennt, der Laden ihres Vaters angeboten - Altin Köse - einer der legendärsten Läden Kreuzbergs. Jeder Kreuzberger und viele darüber hinaus kennen ihn. Ab dem Moment war für uns alles klar. Im Mai haben wir mit dem Umbau begonnen und im Oktober dann endlich aufgemacht. 

Lilo, kannst du etwas mehr zum wundervollen Geschirr erzählen?

Das wundervolle Geschirr hat meine Freundin Jana gemacht. Mit Jana habe ich gemeinsam an der Udk Design studiert und wir haben uns glücklicherweise seit dem Abschluss nicht aus den Augen verloren. Seit kurzer Zeit, hat sie im Keller vom Paolo Pinkel in Neukölln ihr Studio und macht hier unglaublich schöne Sachen. Die Teller sind eine Spezialanfertigung für uns und sind Abformungen der Hügel im Viktoriapark in Kreuzberg. Wenn man die Teller nebeneinander stellt sieht man, dass sie sich sozusagen aneinanderfügen.  Als Kreuzberger aus dem ehemaligen 36 hätten wir natürlich am liebsten etwas von hier genommen, aber der Görlitzer ist einfach zu ebenerdig für solche Spielchen. 

Wie bist du bei der Gestaltung des Interior vorgegangen, was hat dich inspiriert? 

Vor unserem Umbau hat sich in der Klinke das legendäre Altin Köse befunden. Ein türkisches Männercafé, hier wurde über Jahrzehnte Backgammon gespielt und dazu ordentlich geraucht. Der Laden war wirklich in keinem guten Zustand als wir ihn übernommen haben, aber ich habe ein unglaubliches Potenzial gesehen und mir war es wichtig wenigstens einen kleinen, kleinen Teil des alten Cafés zu integrieren. Am Ende ist es die Holzvertäfelung an den Wänden geworden, die wir einmal komplett überarbeitet haben und das alte Schild hängt im Flur zu den Bädern. 

Der Barbereich soll etwas bodenständiger wirken und der Gastraum modern, aber trotzdem gemütlich. Mir war es beim Interieur unheimlich wichtig, dass sich jeder Mensch willkommen fühlt. Ob jung, ob alt, ob Kreuzberger oder Charlottenburger, Modeblogger oder Steuerberater etc. Ich wollte einen Ort zum Wohlfühlen erschaffen, der niemanden ausgrenzt. Von da aus habe ich begonnen die Inneneinrichtung zu planen. 

Das Interieur ist inspiriert vom dem absolut traumhaften Weinrestaurant Traube - darauf bin ich durch Zufall bei meiner Recherche nach historischen Berliner Restaurants gestoßen. Das Weinrestaurant Traube befand sich im Gourmenia Palast in Berlin Charlottenburg, der nach dem zweiten Weltkrieg nach Zerstörung vollständig abgerissen wurde. Das Interieur, das ich auf alten Bildern sah, hat mich nachhaltig beeindruckt und ist unterbewusst bei jeder Entscheidung eingeflossen. 

Der Ablauf war dann folgender: Angefangen mit der räumlichen Gestaltung , was macht Sinn und wie nutzen wir den Space am sinnvollsten, weiter zu Materialien und Farben - was strahlt Wärme aus und wie bringt man unseren jetzigen Zeitgeist mit ein, weiter zu Formen - hier hat meine Hauptinspiration ,das Weinrestaurant Traube, eine große Rolle gespielt, weiter zu Stühlen und Tischen bis hin zum Kerzenständer und Salzstreuer. Am Ende macht alles Sinn, aber zwischendurch muss man aufpassen, dass man sich in den vielen Möglichkeiten nicht verliert. 


Die Klinke bietet Take Away von MI-SO 17-22 Uhr an.

Klinke, Dresdner Str. 119, 10999 Berlin

Text: Maria-Silva Villbrandt | Bilder: Jules Villbrandt